Spaghetti-Tour 15 x 4'000 "Plus

Spaghetti-Tour 15 x 4'000 "Plus

Schon lange geisterte mir das Projekt der Spaghetti-Tour im Kopf rum - fest stand für mich, dass ich diese Tour selbst führen und mich nicht führen lassen möchte. Entsprechend braucht es hierfür einen verlässlichen Seilpartner, welchen ich glücklicherweise - was für ein Privileg! - in meinem  Pilotenfreund TZ gefunden habe. Zusammen mit einem weiteren Kollegen aus der Bergrettung RF konnten wir uns also einen gemeinsamen Traum erfüllen, unter anderem auch dank top Wetterverhältnissen dieses grandiosen Sommer 1995. Damit wir diese Tour auch gesundheitlich - sprich möglichst ohne Höhenbeschwerden - geniessen konnten, haben wir uns bewusst Zeit für die Vorbereitung gelassen. Ein wichtiges Thema, welches nicht selten für Erfolg oder Misserfolg steht. 

 

Prolog, Übernachtung Camping Randa

Anreise mit PW bis nach Zermatt, dank Fahrbewilligung für uns möglich, sonniges, genussvolles Verweilen und anschliessendes Übernachten bei den Geschwistern von TZ. Gut wenn man das vor Ort hat, da braucht es praktisch keinen weiteren Logistik-Aufwand mehr. 

 

Tag 1, Übernachtung Klein Matterhorn-Lodge

Bezug der Voucher für die Übernachtung und das Nachtessen in der Matterhorn-Lodge auf dem Klein Matterhorn. 

Nach dem Zimmerbezug auf 3817m (Höhe der Bergstation bzw. der Lodge) mit leichtem Rucksack über die gut ausgetretene Spur hinauf zum Breithorn-Westgipfel 4164m. Für einen kurzen Moment konnten wir den Gipfel sogar für uns alleine geniessen. Anschliessend weiter zum Breithorn-Mittelgipfel 4159m, kurze Rast und zurück zur Lodge beim Klein Matterhorn, wo wir uns mit Kartenspiel und (Vor-) Schlafen gänzlich der Akklimatisation widmeten. 

Die erste Schlüsselstelle erlebten wir bereits in der Lodge: Während wir unser gesamtes Material inkl. Schuhe im Zimmer hatten und wir im Speisesaal Karten spielten, funktionierte plötzlich das elektronische Schloss der Zimmertüre nicht mehr. Glücklicherweise bemerkten unsere Zimmergenossen 30 Minuten vor Betriebsschluss der Matthorn-Bahn dieses Malheur, sodass wir gerade noch rechtzeitig das Personal aufbieten konnten. Mit verschiedenem Werkzeug, beinahe auch noch mit Hammer und Meissel, konnte dann das Problem nach über 1h "pröbeln" gelöst werden. Dass in der folgenden Nacht die Zimmertüre nicht mehr geschlossen werden durfte, nahmen wir gerne zur Kenntnis, zumal wir keine Lust gehabt hätten, einen weiteren Tag auf dem Klein Matterhorn zu verbringen.

 

Tag 2, Übernachtung Rifugio Quintino Sella al Felik

Das frühe Aufstehen wurde nun zur Gewohnheit, weshalb wir auch heute zeitig loszogen, zumal viel Gletschertrekking (wie eigentlich jeden Tag) auf dem Programm stand. Bis zum Breithornpass 3824m noch ohne Seil und ohne Steigeisen, anschliessend dann aus Sicherheitsgründen mit genanntem Material weiter. Dummerweise erwischten wir im Dunkeln die Spur, welche Richtung Roccia Nera führte, weshalb wir oberhalb statt unterhalb des Bivacco Rossi e Volante 3750m vorbei kamen. Zeitverlust wegen sehr heikler Spaltengefahr sicherlich ca. 45 Minuten. 

Anschliessend Abstieg und hinüber zum Einstieg des SW-Grates des Pollux. Bei den angetroffenen Verhältnissen konnten wir anfänglich einen Grossteil in einer gut ausgetretenen Schneespur hochsteigen, bevor wir dann das erste Mal Fels in die Hände kriegten. Bald schon erreichten wir die Fixseile - hier war wie erwartet ein wenig "traffic" - mit ein wenig Rücksicht und Geschick kamen wir jedoch problemlos an den zahlreichen auf- und auch absteigenden Seilschaften vorbei, weshalb wir dann bei der Madonna auch bereits alleine waren. Entsprechend genussvoll der weitere Firn-Aufstieg zum Gipfel des Pollux 4092m, welchen wir über mehrere Minuten für uns alleine hatten.

Für den Abstieg wollten wir den SE-Grat versuchen, mussten dann aber nach ca. 1/3 infolge Blankeis-Passagen abbrechen und zurück zum Gipfel steigen. Somit wie alle anderen Seilschaften retour über den SW-Grat, welchen wir dank gutem Seilhandling sehr zügig hinter uns brachten. 

Kurze Pause und steiler, aber problemloser Aufstieg zum obersten Bergschrund des Castor. Hier gilt es nochmals eine kurze, aber doch sehr steile Flanke zu bewältigen, bevor man dann via Nordgrat - welcher sehr an den Biancograt erinnert - den Gipfel des Castor 4223m erreicht. Der zuvor besuchte Pollux sah von hier nicht mehr wirkilch spektakulär aus, um so mehr dafür der Liskamm und weitere tolle Gipfel in dieser Gegend. 

Abstieg über den SE-Grat hinunter zum Felikjoch 4068m und kurzer Gegenanstieg zum Felikhorn 4087m, welchen man quasi "en passant" einfach so mitnimmt. Nicht mehr enden wollender Abstieg zum Rifugio Quintino Sella al Felik 3585m, wo wir nicht nur gut gegessen sondern trotz Massenschlag auch gut geschlafen haben.

 

Tag 3, Übernachtung Capanna Gnifetti

Für heute wäre eigentlich die Liskamm-Überschreitung geplant gewesen. Weil sich aber TZ beim betrachten dieses doch "gefürchig" erscheinenden Berges Seiner Sache nicht mehr ganz sicher war und ich dadurch auch ein wenig verunsichert wurde, verzichteten wir auf diese mit Garantie schöne Überschreitung und zogen dafür den Aufstieg auf den Naso bzw. Schneedomspitze 4272m vor. Der Aufstieg zum Naso wird als WS eingestuft, oft hört man die Geschichte, dass wenn man dem Liskamm nicht gewachsen sei, dass man dann "einfach" via Naso den Hüttenwechsel vollziehen kann. Dass die Westflanke aber zu über 1/3 aus Blankeis bestehen kann, davon hört man allerdings kaum etwas - bzw. erst, nachdem man selbst diese Schlüsselstelle mit vorzugsweise 4 Eisschrauben überwunden hat. Völlig unerwartet wurde also dieser "Spaziergang" zur schwierigsten Schlüsselstelle der gesamten Tourenwoche - kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass wir in 2 Tagen die schwieriger bewertete Dufourspitze und anschliessend das ausgesetzte Nordend erklimmen werden. 

Nach dem Gipfelbesuch auf dem Naso 4272m hiess es steil, und unten raus erneut wieder mit Blankeis, auf den Lysgletscher abzusteigen und hinüber richtung Vincentpiramid 4215m zu traversieren. Diesen Gipfel besuchten wir dann auch gleich noch, damit wir tagsdarauf einen Gipfel weniger besteigen "müssen". Den Auf- wie auch den Abstieg bewältigen wir über die sanfte und gutmütige Nordflanke - hätte die Energie noch gereicht, so könnte man vom Gipfel hinunter zur Giordanispetz 4046m steigen. 

Der Abstieg zur Capanna Gnifetti 3625m erfordert aufgrund latenter Spaltengefahr nochmals höchste Konzentration, bevor es die letzten Meter zur Hütte einem Fixseil entlang hoch geht.

Die Hütte präsentiert sich als wahres Bijoux - sehr freundliches Personal, fantastisch schöne Balkonterrassen sowie einfache aber zweckmässige Zimmer in verschiedenen Grössen. Kostenloser WiFi-Empfang, inkl. ausreichend Steckdosen zum Aufladen von elektronischen Geräten.

 

Tag 4, Übernachtung Capanna Margherita

Der heutige Tag stand ganz im Zeichen des Gipfelsammelns, verbunden aber auch mit einem gemächlichen Aufstieg zur höchsten bewarteten Berghütte von Europa. Erneut kamen wir wieder in den Genuss von schönstem Himmelsblau, heute aber zeigte uns der Wind seine Krallen, weshalb der Aufstieg alles andere als genussvoll war. 

Aufgrund des Sturmes liessen wir den Tag langsam angehen und starteten erst gegen 05.30 Uhr. Über den Lysgletscher stiegen wir auf der gleichen Spur wie am Vortag hoch, besuchten anschliessend das Bivacco Felice Giordano 4162m auf der Felsinsel Balmenhorn 4167m, dann den Corno Nero bzw. das Schwarzhorn 4321m mit seiner steilen Schneeflanke und traversierten hinüber zur Ludwigshöhe 4341m. Hier muss man auf dem Nordwestgrat wenige Meter vor dem Gipfel auf eine tückische Spalte Felsspalte aufpassen. Der Sturm bliess nach wie vor mit voller Kraft, sodass wir auch hier keine Gipfelpause einlegten - zu windig, zu kalt, zu ungemütlich. Weiter ging es zur Parrotspitze 4432m, welche wir jedoch vom Seserjoch 4299m und nicht von Süden her und anschliessend über den Westgrat erreichten. Es folgte nun der Aufstieg zur Signalkuppe 4554m mit der Capanna Margeritha 4554m obendrauf. 

Voller Ehrfurcht zolle ich den Erbauern dieser Hütte meinen grössten und dankbaren Respekt - ein Meisterwerk aus Holz und das auf dieser Höhe. Liebevoll eingerichtet, sehr freundliches Personal, hervorragendes Essen und erneut kostenloser ausreichend Steckdosen zum Aufladen von elektronischen Geräten.

Während es die einen langsam mit der Höhe zu tun bekamen - eine Seilschaft musste wegen Höhenbeschwerden sogar noch um 17.00 Uhr wieder Richtung Tal absteigen - spürten wir überhaupt keine Beschwerden. Kein Kopfweh, grosser Hunger und eine gesunde Müdigkeit zum Schlafen. Aufgrund dessen, dass es aber auch in der Nacht noch aus voller Kraft gestürmt hatte - das Messgerät zeigte wie schon tags zuvor Windgeschwindigkeiten über 100 km/h an - und wir deshalb grösstenteils des Schlafes beraubt wurden, waren wir selbst am Morgen beim Frühstück um 04.30 Uhr ziemlich durch den Wind. 

 

Tag 5, Übernachtung Camping Randa

Gestartet sind wir um 05.00 Uhr und standen nur 25 Minuten später bereits auf der Zumsteinspitze 4563m. Noch stürmte es, die Fotopausen entsprechend eher kurz gehalten. Hätten wir jetzt keinen vorauseilenden Bergführer gehabt, so wären wir aufgrund des Windes vermutlich via Grenzgletscher ins Tal abgestiegen. Wir wurden aber motiviert weiter zu gehen, und dies war auf alle Fälle die beste Entscheidung überhaupt. Der ausgesetzte und teilweise steile Abstieg über den Nordgrat hinunter zum Grenzsattel 4453m verlangte einerseits wegen den Windböen auf dem schmalen Firngrat, andererseits auch wegen zwei kleinen Abkletterstellen nochmals einiges an Konzentration.

Der weitere Aufstieg über verschiedene Felstürme hinauf zum Grenzgipfel 4618m präsentierte sich als wahren Genuss - Bergsteigen der schönsten Art, wirklich ein Traum. Man kann stets gut sichern und dort, wo man einmal eine kleine Platte queren muss, gibt es auch noch Bohrhaken, welche wir jedoch nicht benützten. Bald schon folgt die Dunantspitze 4632m und dann nochmals eine kleinere Schlüsselstelle in die Scharte hinunter. Von der Scharte geht's auf den kleinen Vorbau vor dem Gipfel, anschliessend nochmals kurz und ausgesetzt hinunter und wenige Aufstiegsschritte später standen wir nach nur 2h 20min seit unserem Start überglücklich auf dem höchsten Grenzgipfel der Schweiz, der Dufourspitze 4634m. Die Glücksgefühle, welche wir dort oben erlebten, waren unbeschreiblich und wahrhaftig grenzenlos - ein Erlebnis und eine Erinnerung, welche wir bestimmt nie mehr vergessen werden in unserem Leben. Die Führer-Seilschaft vor uns verliess den Gipfel schon bald, so konnten wir den Gipfel nochmals für uns ganz alleine geniessen, bevor eine nachfolgende Führer-Seilschaft ebenfalls zu uns stiess.

Um den Abstieg Richtung Silbersattel zu beschleunigen liess ich TZ im steinschlägigen und teilweise mit Blankeis versehenem Couloir jeweils bis zu den gebohrten Ständen an unserem Seil ab, selber stieg ich dann problemlos ungesichert den Fixseilen entlang hinunter. Konzentration erforderte einzig die letzte Fixseilpassage im Blankeis, aber auch dieses Hindernis konnten wir erfolgreich meistern.

Angekommen im Silbersattel 4515m stürmte es wieder einmal, entsprechend schnell zogen wir mit deponiertem Rucksack weiter zum letzten Gipfel dieser Tourenwoche. Dank guter Spur und voraus gehender Führer-Seilschaft erreichten wir nach nur 25 Minuten das Nordend 4609m und genossen abermals ein traumhaftes Panorama. Unvergesslich auch der Blick richtung Dufour- und Zumsteinspitze - von hier sieht man nochmals das gesamte Programm des heutigen Tages - einfach nur traumhaft schön. Der Abstieg zurück zum Silbersattel 4515m entsprechend schnell und problemlos, das gleiche galt auch für den weiteren Abstieg durch die heikle Spaltenzone beim Monte Rosaletscher. Da wir 3 Zweier-Seilschaften waren, teilten wir uns wegen den nicht zu unterschätzenden Spalten aus Sicherheitsgründen auf 2 Dreier-Seilschaften auf. 

Schon am ersten Tag beim Klein Matterhorn war für uns klar, dass wir mit dem Helikopter vom Gebirgslandeplatz Monte Rosa 4100m zurück nach Zermatt 1616m zu fliegen. Auf den Abstieg zur Monte Rosa-Hütte und weiter dann zur Station Rotenboden verzichteten wir noch so gerne - egal ob sich das jetzt in Bergsteigerkreisen gehört oder eben auch nicht. Wir hatten unsere riesige grosse Freude daran und garantiert würden wir dies wieder so machen - vorausgesetzt, es befindet sich eine Führer-Seilschaft in der Nähe, welche befugt ist, das Lufttaxi zu bestellen (wir hatten glaube ich alles im Multipack).

So endete unsere 4000er-Woche im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge - man könnte fast schon von "4000 Plus" sprechen. Den noch jungen Tag liessen wir bei einem Mittagessen in Zermatt und anschliessendem Chillen auf dem Campingplatz in Randa ausklingen.

Mit den Gedanken noch nachhängend im ewigen Eis, den steilen Flanken vom Lyskamm, dem köstlichen Essen in den italienischen Hütten, den Glücksgefühlen auf den verschiedenen Gipfel, vor allem auf der Dufouspitze, und last but not least natürlich auch dem unvergesslichen Helikopterflug zurück nach Zermatt durch unsere Kollegen. 

 

Fazit

Für uns klar die Erfüllung eines Traumes. Mit Ausnahme des mit Blankeis versehenen Aufstieges auf den Naso fanden wir keine grösseren Schwierigkeiten vor und konnten jeden Kletterzug schlichtwegs einfach nur geniessen. Die Firngrat-Überquerungen hängen logischerweise stark von den Bedingungen ab - wir haben sehr gute davon angetroffen, jeweils mit guter Spur versehen. Das Wetter hätte mit Ausnahme des starken Windes am zweitletzten Tag nicht besser sein können.

Obiger Tourablauf kann ich nur weiter empfehlen, vor allem aber auch mit dem ersten Tag auf dem Klein Matterhorn bzw. auf dem Breithorn. Man könnte allenfalls sogar am ersten Tag die Breithorn-Überschreitung machen und später dann nach der Lyskamm-Uberschreitung und dem Besuch der Vincentpiramid noch den Giordanispetz 4046m besuchen - dann hätte man die komplette 4000er-Ausbeute, welche es in diesem Gebiet zu besteigen gibt. 

Wegen des langen Gletschermarsches vom Klein Matterhorn bis zum Einstieg beim Pollux würde ich wohl künftig nach dem Besuch auf dem Breithorn hinunter zum Rifugio Guide della Val d'Ayas 3420m absteigen. Von hier aus ist der Zustieg zum Pollux kürzer und wegen dem viel tieferem Spaltensturzrisiko auch angenehmer. 

 

Material: 

- 40m Seil

- 2 Exen

- 2 Eisschrauben (waren wegen dem vereisten Naso zuwenig, besser je 2 mitnehmen)

- 2 Schlingen (1 würde reichen)

- Karabiner, Reepschnur, T-Bloc, Ropeman, etc. für allfällige Spaltenrettungen

- Pickel, Steigeisen

- Kleingeld für's Lufttaxi ;-)